Geschichte

Der folgende Abriss der Geschichte unserer Gruppe und ihrer Arbeit entstand im Januar 2004. Die Entwicklungen seitdem sind also noch nicht enthalten. Die Darstellung umfasst die ersten eineinhalb Jahrzehnte der Gruppengeschichte. Sie ist auch als Dokument ihrer Entstehungszeit zu lesen. Eine Fortsetzung bei nächster Gelegenheit wird versprochen!

Entstehung der Gruppe

Anfang der 1980er Jahre beschäftigte sich eine Gruppe Dresdner Studenten mit der Übersetzung und Inszenierung eines britischen Theaterstückes über die Luftangriffe auf Dresden. Begleitend zur künstlerischen Arbeit suchten die Studenten Kontakt zu Zeitzeugen und Historikern. Ergebnis dieser Gespräche war u.a. eine kleine Sammlung an Erlebnisberichten, schriftlichen Dokumenten und Fotografien.

Die Fragenden erlebten, dass es für ihre älteren Gesprächspartner von großer Bedeutung war, über die Erlebnisse und Erfahrungen der NS-Zeit, des Krieges und der Zerstörung der Stadt zu sprechen. In den Gesprächen mit den Zeitzeugen offenbarte sich ein überraschender Reichtum. Nicht nur geschichtliche Details wurden sichtbar, sondern auch Bewertungen und Schlussfolgerungen, die den jüngeren Gesprächspartnern wesentlich erschienen.

So entstand ca. 1985 die Idee, persönliche Erinnerungen an und Zeugnisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges in Dresden systematisch zu sammeln, zu archivieren und einer wissenschaftlichen Auswertung zugänglich zu machen. Für dieses Ziel engagierten sich – nunmehr außerhalb der studentischen Zusammenhänge – eine kleine Gruppe Dresdner unterschiedlichen Alters um Matthias Neutzner.

Sie erlebten rasch, dass von den Fachwissenschaftlern kaum Unterstützung zu erwarten war. Die Methodik der damals in der DDR praktizierten Geschichtsforschung schloss Einzelschicksale als Quelle historischer Erkenntnis weitgehend aus. Da zu den methodischen Divergenzen noch der Argwohn der Wissenschaftler vor interessierten Laien und das Misstrauen der politischen Führung in jede nicht kontrollierte gesellschaftliche Bewegung kam, benötigte es fast zwei Jahre ausdauernder Bemühungen, ehe das systematische und öffentliche Suchen nach Augenzeugen beginnen konnte. Im Februar 1987 erschien in den Dresdner Tageszeitungen ein kurzer Aufruf dazu, wenig später konnte eine kleine Fachgruppe in der Gesellschaft für Heimatgeschichte des Kulturbundes der DDR gegründet werden und die Arbeit beginnen.

1987: Öffentlicher Aufruf

Die Resonanz auf den Aufruf war überwältigend: Mehrere Hundert Gesprächsangebote trafen ein und eine größere Zahl Dresdner bot sich zur Mitarbeit an. Daraus formte sich rasch der Kern einer generationsübergreifend zusammengesetzten Gruppe von 10 bis 15 Personen. Das Selbstverständnis der gemeinsamen Arbeit wurde dabei stark von den in der Gruppe vertretenen Zeitzeugen der Ereignisse geprägt.

Mit ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit, ohne finanzielle Mittel und organisatorische Basis war es schwierig, den angebotenen Kontakten nachzugehen. Dennoch konnten bis zum Frühjahr 1987 ca. 70 Interviews geführt und mehrere Hundert Berichte, Dokumente, Fotografien und andere Materialien zusammengetragen werden. Im Mittelpunkt der Gespräche mit Zeitzeugen stand zunächst der Versuch, die Ereignisse des Jahres 1945 zu rekonstruieren und aktuelle Bewertungen dazu festzuhalten.

Diese Arbeit wurde von Anfang an durch öffentliche Veranstaltungen begleitet, so Diskussionen mit Zeitzeugen, Vorträge und Kunstaktionen.

1989: Ausstellung »Lebenszeichen«

Im September 1989 trat die Gruppe mit der Ausstellung »Lebenszeichen« an die Öffentlichkeit. Den inhaltlichen Kern der Ausstellung bildeten acht ausgewählte Zeitzeugenberichte, mit denen das historische Geschehen aus unterschiedlichen Erlebnis- und Wertungsperspektiven dargestellt wurde. Noch vor dem Ende der Ausstellung begann die friedliche Revolution des Herbstes 1989.

Für Februar 1990 hatte die Gruppe anlässlich des 45. Jahrestages der Zerstörung ein Kolloquium zur Geschichte des Luftkrieges gegen deutsche Städte vorbereitet. Die veränderte gesellschaftliche Situation gab die Möglichkeit, nun auch Vertreter aus dem Westen Deutschlands einzuladen. Die Teilnahme mehrerer Oberbürgermeister westdeutscher Städte – so von Mainz, Würzburg und Pforzheim – verlieh der Veranstaltung eine erhebliche politische Dimension.

Die Ausstellung »Lebenszeichen« fand im Frühjahr 1990 noch interessierte Aufnahme an verschiedenen Orten, ehe sie dann von mehrfachem Auf- und Abbauen verschlissen war.

Währenddessen nahmen die dramatischen Veränderungen in allen Lebensbereichen jedes einzelne Mitglied der Gruppe stark in Anspruch. Die Arbeit ruhte.

1991: Neubeginn unter veränderten Rahmenbedingungen

In dieser Situation waren es Mitglieder aus der Zeitzeugengeneration, denen die Arbeit der Gruppe auch in der neuen gesellschaftlichen Situation wichtig schien. Sie regten eine erneute Konstituierung an, die schließlich zur Gründung der Interessengemeinschaft »13. Februar 1945« als eingetragener Verein führte.

Personell wie inhaltlich knüpfte der Verein an die Vorjahre an. Dabei war die Arbeit in der ersten Hälfte der 1990er Jahre vor allem durch verstärktes öffentliches Wirken und intensive historische Forschungen bestimmt. Stärker als bisher bezog sich die Arbeit auf ein Friedensengagement, dass in der historischen Erfahrung der Zeitzeugen Basis und Legitimation findet.

1992: Beginn der Ausstellungs- und Medienarbeit

Am 13. Februar 1992 konnte die Ausstellung »Lebenszeichen« inhaltlich unverändert, aber technisch neu hergestellt, erneut eröffnet werden. Seitdem ist sie in Hamburg, Hildesheim, Nordhausen, Mainz und Pforzheim und an wechselnden Orten in Dresden gezeigt worden. Ab 1995 hatte sie einen dauerhaften Ausstellungsort im Turm des Dresdner Residenzschlosses gefunden.

Weit mehr als eine halbe Million Menschen besuchten die Ausstellung bisher; in den Besucherbüchern sind mittlerweile viele Tausend Eintragungen verzeichnet. So finden sich nahezu alle denkbaren Haltungen zu den historischen Ereignissen dokumentiert. Gleichzeitig weisen die Besucher nachdrücklich auf jeweils aktuelle Bezüge, mit denen das Symbol der Zerstörung Dresdens in Verbindung gebracht wird.

Parallel zur Ausstellung entstand ein Katalog, der das ausgestellte Text- und Dokumentenmaterial zugänglich machte. Die Broschüre erschien in zwei Auflagen, die restlos vergriffen sind.

Mit wachsender Intensität unterstützte der Verein Produktionen verschiedener Medien. Bezogen sich die Anfragen zunächst auf organisatorische Unterstützung, so wurden zur Mitte der 1990er Jahre insbesondere eine Vielzahl von Kontakten zu Zeitzeugen hergestellt. Auch die Vereinsmitglieder selbst wirkten an einer großen Zahl von Produktionen mit. Während damit einerseits die Arbeit der Gruppe weltweite Aufmerksamkeit zuteil wurde, wurde es andererseits notwendig, sich kritisch mit den Produktionsbedingungen und Wirkmechanismen der Medienarbeit auseinander zu setzen.

1995: »Martha Heinrich Acht« erscheint

Parallel zum Aufbau des Zeitzeugenarchivs hatten sich einzelne Mitglieder des Vereins bereits seit den 1980er Jahren mit dem historischen Hintergrund der erzählten Biografien befasst. Darauf aufbauend untersuchte Matthias Neutzner seit 1993 systematisch die Alltagsgeschichte der Dresdner in den Jahren des Zweiten Weltkrieges. Als wesentlichste Quelle für diese Forschungen erwiesen sich die bis dahin noch völlig unerschlossenen Aktenbestände der Dresdner Archive.

Die Ergebnisse der historischen Forschungsarbeit und der Zeitzeugenbefragungen waren die Basis für das im Februar 1995 erschienene Buch »Martha Heinrich Acht – Dresden 1944/45«. Der Buchtitel bezieht sich auf die Codebezeichnung Dresdens in den Luftlagemeldungen der deutschen Luftverteidigung – »MH8« steht als lokal konkretisierte Chiffre für den Alltag im Krieg.

Das umfangreiche und großformatige Buch enthält eine ausführliche Alltagsgeschichte der Dresdner in den letzten acht Monaten des Zweiten Weltkrieges. Aus dem Bestand des Zeitzeugenarchives werden eine größere Auswahl Briefe – geschrieben in den Monaten Februar bis Mai 1945 – und später verfasste Erlebnisberichte publiziert.

Das im Dresdner Verlag der Kunst erschienene Buch liegt mittlerweile in der vierten Auflagen vor.

1995: Kerzen in der Johannstadt

Mit dem Jahr 1995, dem 40. Jahrestag der Zerstörung Dresdens und des Kriegsendes, erhielt die seit 1946 etablierte Dresdner Gedenktradition eine neue Dimension: Zum ersten Mal wurde der Jahrestag im wiedervereinigten Deutschland begangen, was ein umfangreiches politisches Programm in Dresden und weltweite Medienpräsenz zur Folge hatte. Dresden wurde damit als gesamtdeutscher Gedenkort etabliert und zum zentralen Anlass politischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen über einen angemessenen deutschen Umgang mit der NS-Vergangenheit.

In einer schier endlosen Fülle von Veranstaltungen und Medienereignissen, an denen neben dem deutschen Bundespräsidenten das politische Establishment mehrere europäischer Staaten teilnahm, erschien vielen Dresdnern wenig Raum für das tradierte persönliche Gedenken. So suchte der Verein nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten abseits der medialen Gedenkinszenierungen und griff die Initiative der Dresdner Zeitzeugin Nora Lang auf: Sie hatte vorgeschlagen, die älteren Dresdner mögen sich am Abend des 13. Februar mit Kerzen an der Stelle einfinden, an der bis zur Zerstörung ihre Häuser gestanden hatten.

Das Ergebnis war überwältigend. Abseits der Übertragungswagen der TV-Sender waren in der gesamten Stadt Tausende mit Kerzen unterwegs, trafen sich Gruppen Überlebender an Hauseingängen, Straßenkreuzungen und Grünflächen. Die Gemeinschaft der Zeitzeugen formte für einen Abend ein virtuelles Abbild der zerstörten Stadt, deren bauliche Hülle verloren ist.

1996: Beginn der Arbeit an Schulen

Während die öffentlichen Veranstaltungen des Vereins in der ersten Hälfte der 1990er Jahre vor allem im Kontext der Ausstellung »Lebenszeichen« standen, boten die Erfahrungen des Jahres 1995 den Ausgangspunkt für inhaltliche Erweiterungen: Die Wiederbegegnung der Zeitzeugen untereinander am Abend des 13. Februar 1995 schloss zunächst die jüngeren Generationen der Dresdner aus. Es musste nach Möglichkeiten gesucht werden, einen generationsübergreifenden Dialog zu initiieren und die sich nun stärker artikulierenden Erfahrungen der Zeitzeugen in das städtische Selbstverständnis zu integrieren.

Dazu erschien der Kommunikationsraum Schule geeignet. Seit 1996 experimentierte der Verein mit verschiedenen Veranstaltungsformen in mehreren Dresdner Gymnasien. Neben Vorträgen und Zeitzeugendiskussionen im Rahmen des Geschichtsunterrichts wurden schulische Projektarbeiten angeregt und unterstützt. Höhepunkt der Arbeit waren Veranstaltungen am Abend des Jahrestages, die seit 1996 in Kooperation mit dem Dresdner Bertolt-Brecht-Gymnasium durchgeführt werden konnten.

Am 13. Februar 1996 fertigten dort Schüler mehrerer Klassenstufen einen »Erinnerungsraum«, mit dem die vollständig zerstörten Straßen und Plätze des umgebenden Stadtviertels in der Aula der Schule als Bühnenbild wieder entstanden. Mehrere Hundert älterer Dresdner nutzten diesen Raum, um ihre Erinnerungen öffentlich zu machen, jüngere Menschen waren als Zuhörer und Gesprächspartner einbezogen.

1997 konnte die Erinnerung in die Straßen getragen werden. Schüler hatten Erinnerungsorte recherchiert, in den Straßen markiert und boten am Abend des 13. Februar Führungen an.

Im Jahr darauf befassten sich Schüler des Gymnasiums mit Flüchtlingsschicksalen. Dabei wurden sowohl Zeitzeugen des Jahres 1945 wie auch aktuell in der Stadt lebende Flüchtlinge befragt. Ergebnis war wiederum eine öffentliche Veranstaltung am Abend des 13. Februar.

Bis zum Ende der 1990er Jahre gelang es, die schulische Arbeit am Bertolt-Brecht-Gymnasium zu verstetigen. Eine rege schulische Arbeitsgemeinschaft entstand, die enge Verbindungen zum Verein unterhält. Um die Arbeit auf die Dresdner Schullandschaft insgesamt ausstrahlen zu lassen, führten Vereinsmitglieder Lehrerfortbildungen durch.

1999: Beginn der internationalen Zusammenarbeit

Peter Grohmann und der Verein »Anstiftung« vermittelten 1999 eine erste Begegnung mit Juan Gutierrez, dem Leiter des Friedensforschungszentrums in der baskischen Stadt Gernika (spanisch Guernica). Nach einer ersten gemeinsamen Veranstaltung in Dresden konnten Arbeitskontakte aufgebaut werden, die zur Einladung einer Zeitzeugin aus dem Verein zu den Gedenkfeiern anlässlich des Jahrestages des deutschen Bombardements auf Gernika im April 1999 führten.

Nach weiteren Treffen mit Juan Gutierrez in Dresden reiste im Oktober 2000 eine vierköpfige Delegation des Vereins nach Gernika. Dieser Besuch war für die Arbeit der Interessengemeinschaft von großer Bedeutung: Die intensive Auseinandersetzung mit der Zielsetzung und der Arbeitsweise des Friedensforschungszentrums in Gernika zeigte die Möglichkeit, auf der zum Symbol gewordenen historischen Bedeutung eines Ortes nachhaltige Friedensarbeit zu gründen. Zugleich war es möglich, eine persönliche Verbindung zu Zeitzeugen der Bombardierung Gernikas zu erhalten. Nach einer stark bewegenden ersten Begegnung entstanden dauerhafte Kontakte, aus denen die Arbeit des Vereins bis heute schöpft.

Während des Jahres 2000 wurde in Gernika die Ausstellung »Kunst für Versöhnung« organisiert. Über die Interessengemeinschaft erging eine Einladung zur Mitarbeit auch an Dresdner Künstler. Nach der Präsentation in mehreren Städten Europas konnte die Ausstellung im Februar 2001 auch im Dresdner Rathaus gezeigt werden. Im Dezember des gleichen Jahres organisierten das Ökumenische Informationszentrum Dresden und der Verein ein mehrtägiges Seminar zu Fragen der Zeitzeugenarbeit, an dem neben einer Delegation aus Gernika auch Vertreter mehrerer deutscher Initiativen teilnahmen.

2000: Gedenken und Gedenkorte

Im Jahr 2000 starteten Rudolph Eichner und mehrere Vereinsmitglieder aus der Zeitzeugengeneration eine Initiative zur Einrichtung einer Erinnerungsstelle auf dem Dresdner Altmarkt, wo nach den Luftangriffen im Februar 1945 die Leichen von 6865 Menschen verbrannt worden waren. Parallel dazu führten die Vereinsmitglieder eine intensive Diskussion um Inhalt, Funktion und Ort einer Erinnerungs- oder Gedenkstätte für die Opfer der Luftangriffe. Dabei zeigte sich, dass ein Nachdenken über Gedenkorte die Auseinandersetzung mit den positiven Traditionen und aktuellen Problemen der Dresdner Erinnerungskultur insgesamt voraussetzt.

Der Verein konnte hier zunächst zu keiner gemeinsamen Haltung finden. Während die Bemühungen um die Erinnerungsstelle auf dem Altmarkt starken Wiederhall in den politischen Vertretungen und lokalen Medien fanden, initiierte Matthias Neutzner ein paralleles Projekt: »Gravuren des Krieges – Mahndepots in Dresden«.

Auf Anregung des Vereins und vermittelt durch den Künstlerbund Dresden konnten mehrere Bildende Künstler zur Mitarbeit gewonnen werden. Es wurde ein Netzwerk der Erinnerung entworfen, fixiert an Orten die die Komplexität des historischen Geschehens um die Zerstörung Dresdens deutlich machen. So stehen Orte des Leids der vom Luftkrieg Betroffenen neben solchen, an denen die Verbrechen an Juden, KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern etc. deutlich werden. Andere Orte illustrieren beispielhaft die Verstrickungen der Stadt in die militärische und wirtschaftliche Kriegführung, aber auch die Größe der Katastrophe, von der Dresden schließlich betroffen wurde.

Am 13. Februar 2001 konnten 56 »Mahndepots« – in den Boden eingelassene Edelstahlhülsen – übergeben werden; eine Zeitungsbeilage dokumentierte die Orte und ihre Bedeutung. Seitdem wurde jährlich ein weiterer Ort markiert, wobei die Vorschläge für Erinnerungsorte nunmehr auch von Menschen außerhalb der Künstlergruppe und des Vereins stammen.

Währenddessen fasste nach mehrjährigen, teilweise öffentlichen Diskussionen der Dresdner Stadtrat im Jahr 2003 den Beschluss, eine Erinnerungsstätte auf dem Altmarkt errichten zu lassen. Die Dresdner Stadtverwaltung bezog den Verein in die Umsetzung dieses Beschlusses ein. So wurde während des Jahres 2004 eine künstlerische Markierung auf dem Altmarkt angebracht , die in Bezug zu dem bereits eingebrachten »Mahndepot« auf die historischen Geschehnisse an diesem Ort verweist.

2000: Erstes »GeDenken« auf dem Altmarkt

Die Dresdner Gruppe von »pax christi« regte für den 13. Februar 2000 eine Veranstaltung auf dem Dresdner Altmarkt an, die deutlicher als bisher die Erinnerung an die Zerstörung Dresdens mit der aktiven Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt in unserer heutigen Welt verbinden sollte. Sie erhielt den Titel »GeDenken« und ist seitdem zu einem festen Bestandteil der Dresdner Erinnerungskultur geworden.

Seit Anfang an ist die Interessengemeinschaft neben weiteren Dresdner Vereinen und Institutionen an der Organisation dieser Veranstaltung beteiligt; im Jahr 2004 übernahm sie die Federführung für Vorbereitung und Durchführung.

Mit dem Reaktivieren des Veranstaltungsortes Altmarkt und der klaren Ausrichtung auf ein »aktualisiertes Gedenken« konnten die Initiatoren kritische Diskussionen zu Inhalt und Form der Dresdner Erinnerungskultur anregen. Aus dem zunächst informellen Gedankenaustausch zwischen verschiedenen Dresdner Gruppen und Personen entstehen zurzeit Initiativen unter Einschluss der Stadtverwaltung. Sie sollen den organisatorischen Rahmen für eine breite Diskussion über den Umgang mit dem »Symbol Dresden« geben.

2002: Erschließen des Zeitzeugenarchivs

Ausgangspunkt und zentraler Bezug der Arbeit des Vereins ist die Auseinandersetzung mit Geschichte über die Erinnerung der Zeitzeugen. Dazu wurde seit 1987 ein Archiv von persönlichen Zeitzeugnissen zur Geschichte Dresdens im Zweiten Weltkrieg angelegt.

Das Archiv des Vereins umfasst momentan ca. 70 Mitschnitte von Interviews, ca. 500 schriftliche Berichte, etwa 150 zeitgenössische Briefe, Karten und Telegramme, sowie Dokumente, Fotografien, Film- und Tonaufnahmen.

Im Februar 2002 konnte ein erster Teil des Archivs – mehr als 300 schriftliche Berichte – an das Stadtarchiv Dresden übergeben werden. Die Materialien waren vorher katalogisiert und ausgewertet worden.
Das Stadtarchiv Dresden garantiert die sachgerechte Aufbewahrung der übergebenen Dokumente und die öffentliche Zugänglichkeit. Die Nutzungsbedingungen tragen den Intentionen der Zeitzeugen und den Bestimmungen des Datenschutzes Rechnung.

Der Verein wird seine Sammel- und Auswertungstätigkeit fortsetzen.

2003/2004: Gemeinschaft der Zeitzeugen

Die Veranstaltungstätigkeit der Interessengemeinschaft zu den Jahrestagen der Zerstörung Dresdens konzentrierte sich seit 2000 auf das gemeinsam mit anderen Vereinen und Einrichtungen vorbereitete »GeDenken« auf dem Altmarkt. Jeder dieser Veranstaltungen gingen intensive Diskussionen zu aktuellen Fragen von Krieg und Gewalt voraus.

Am Anfang des Jahres 2003 wurden diese von einem drohenden Krieg im Irak bestimmt. In der großen Sorge über das für die Menschen im Irak befürchtete Leid beschlossen die Mitglieder des Vereins, das moralische Gewicht der Zeugenschaft von Gewalt und Zerstörung für einen Appell gegen diesen Krieg zu nutzen. Durch die Vermittlung von Juan Gutierrez gelang es sehr kurzfristig, mit Überlebenden des Bombardements von Gernika eine gemeinsame Erklärung auszuarbeiten und die Reise einer Delegation aus Gernika nach Dresden zu organisieren. In einer überaus bewegenden Pressekonferenz in der Unterkirche der Frauenkirche sprachen am 13. Februar 2003 mehr als 20 Zeitzeugen der Bombardierung Dresdens und Gernikas über ihre persönlichen Beweggründe, sich gegen diesen Krieg zu wenden. Beim abendlichen »GeDenken« auf dem Altmarkt wurde der gemeinsame Text der Zeitzeugen von den versammelten Dresdnern mit langem Beifall begrüßt.

Eindringlich erinnerten die Zeitzeugen in ihrer Erklärung an das eigene Kriegserleben: »Wir wissen was Krieg wirklich bedeutet – jenseits der Fernsehbilder.« Ihre Solidarität gilt den Opfern von Krieg und Terror in aller Welt. Leidenschaftlich lehnten sie den neuerlichen Krieg ab.

Das gemeinsame Engagement festigte die Verbindung zwischen den Zeitzeugen in Gernika und Dresden. Erneut wurde deutlich, wie wichtig Erinnerung für die Gestaltung der Zukunft ist. Die Erfahrung von Krieg, Gewalt und Leid – aber auch von Hoffnung, Versöhnung und Frieden – kann über die moralische Autorität der Zeitzeugen vermittelt und zur gestaltenden Kraft werden.

Während des Jahres 2003 versuchte der Verein folgerichtig, Verbindungen zu Menschen an anderen Orten aufzubauen, die ähnlich Dresden von symbolischer Bedeutung für die Erinnerung an Krieg und Gewalt sind. Neben ersten Kontakten nach St. Petersburg war es erneut Juan Gutierrez, der eine Verbindung zu Zeitzeugen in Israel und Palästina, sowie zu einer Gruppe engagierter Angehöriger der Opfer des 11. September 2001 in den USA vermittelte.

So wurde es möglich, aus Anlass des 13. Februar 2004 fünf Zeitzeugen aus Gernika, New York, Israel, Palästina und Dresden um eine persönliche Botschaft an die Dresdner zu bitten. Die Botschaften machten vor allem die Hoffnung oder Erfahrung der Absender deutlich, dass es möglich ist, Krieg und Gewalt zu überwinden, Verständigung und Versöhnung zu erreichen. Dresdner Schüler setzten sich mit diesen Texten auseinander und übermittelten sie den Dresdnern am Abend des Jahrestages in der »GeDenken«-Veranstaltung auf dem Altmarkt.

Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre bekräftigen das Fundament der Friedensarbeit des Vereins: Es soll nun verstärkt angeknüpft werden sowohl an das gemeinsame Engagement von Betroffenen in aller Welt als auch an den Dialog über Generationsgrenzen hinweg.