13. Februar 2016: Bürgerbegegnung für Frieden, Demokratie und Menschenrechte

Dresdner Stadtgesellschaft ruft zum Dialog über Vergangenheit und Zukunft auf

Zum ersten Mal seit 1990 hat sich ein breites Bündnis der Dresdner Stadtgesellschaft darauf verständigt, am kommenden 13. Februar, dem Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden 1945, zu einer Bürgerbegegnung einzuladen, in der Erinnern mit Dialog verbunden werden soll. In ihrer gestrigen Beratung fasste die AG 13. Februar einstimmig einen entsprechenden Beschluss. Die AG ist ein vom Dresdner Oberbürgermeister einberufenes Gremium, in dem alle Fraktionen des Dresdner Stadtrates, bürgerschaftliche Initiativen, Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften und Institutionen aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft vertreten sind.

Die Bürgerbegegnung wird am zeitigen Nachmittag des 13. Februar 2016 im Haus an der Kreuzkirche stattfinden. Eingeladen sind alle Menschen in unserer Stadt – über Generationen, Kulturen, Religionen und biografische Erfahrungen hinweg. Gemeinsam soll an die Erfahrungen von Krieg, Gewalt und Unterdrückung erinnert werden. Gemeinsam wollen wir diskutieren, was diese Erfahrungen für unsere Gegenwart bedeuten. Initiativen und Institutionen unserer Stadt werden darstellen, wie sie sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, um Zukunft zu gestalten. Den gesamten Nachmittag des 13. Februar 2016 über werden Möglichkeiten zum Gespräch angeboten. Gleichzeitig wird zum Engagement eingeladen und über die zahlreichen bürgerschaftlichen Initiativen in unserer Stadt informiert.

Anknüpfen an die Traditionen eines verantwortlichen Erinnerns in Dresden

Matthias Neutzner, Vorsitzender unseres Vereins, erklärte dazu: »Wir freuen uns, dass es gelungen ist, mit der demokratischen Autorität der AG dazu einzuladen, am kommenden Jahrestag über Vergangenheit und Zukunft unserer Stadt ins Gespräch zu kommen. Gleichermaßen wichtig ist, dass unser Erinnern einen eindeutigen Zielhorizont erhält: Wir erinnern nicht zweckfrei. Wir diskutieren stattdessen, wie der Blick zurück uns Motivation und Orientierung geben kann, für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einzutreten. Unser Verein hat diese Initiative für ein demokratisches und verantwortliches Erinnern maßgeblich unterstützt.«

Mit der Bürgerbegegnung wird an eine wesentliche Konstante im Dresdner Erinnern angeknüpft. Matthias Neutzner: »Wenn wir den 13. Februar als einen Tag des Innehaltens, der Selbstbefragung, der kritischen Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft gestalten, dann setzen wir eine prägende Tradition fort. Der 13. Februar ist in Dresden immer Anlass gewesen, Gegenwart kritisch zu diskutieren. Als 1982 zum ersten Mal Kerzen an der Ruine der Frauenkirche entzündet wurden, ging dem eine mehrstündige öffentliche Diskussion in der vollbesetzten Kreuzkirche voraus. Der 13. Februar wurde in den folgenden Jahren zu einem wichtigen Aktionstag für die unabhängige, widerständige Friedens- und Demokratiebewegung in der DDR. Am 13. Februar 1990 – dem ersten Jahrestag der Luftangriffe, der von einem breiten demokratischen Bündnis gestaltet wurde – formulierte Christof Ziemer ein Selbstverständnis, das damals von allen demokratischen Akteuren geteilt wurde und das bis heute von bürgerschaftlichen Inititativen in unserer Stadt in zahlreichen Aktivitäten weitergeführt wird: ›Der 13. Februar ist ein Tag, an dem der Weg in die Zukunft über die Erinnerung führt. Wir erinnern an die Würde, die Kostbarkeit und die Unverletzlichkeit des Menschen.‹ Wenn wir diese Selbstverpflichtung am kommenden Jahrestag in größerer Gemeinsamkeit und bewusster als in den Jahren zuvor aufgreifen, dann knüpfen wir auch an die wesentlichen Erfahrungen des Herbstes 1989 an.«

Bekenntnis zu Frieden und Menschenrechten als Auftrag

Unser Verein lädt seit vielen Jahren am 13. Februar zu »Treffen der Generationen« ein, in denen ältere und jüngere Dresdnerinnen und Dresdner mit internationalen Gästen zusammenkommen. Aus diesen und zahlreichen weiteren Begegnungen wissen wir, dass die prägende Erfahrung der älteren Menschen unserer Stadt ein doppeltes »Nie Wieder« ist: Nie wieder menschenverachtende Diktatur. Nie wieder Krieg. Wir wollen den 13. Februar dazu nutzen, gemeinsam zu diskutieren, wie wir diesen Auftrag in unserer Gegenwart umsetzen können.

Dazu Matthias Neutzner: »Die Situation in unserer Stadt hat sich seit dem vergangenen 13. Februar verändert: Die Bevölkerung Dresdens ist um mehrere Tausend geflüchteter Menschen gewachsen. Gleichzeitig ist unsere Stadt zum Zentrum von Protestbewegungen geworden, die unser demokratisches Gesellschaftssystem ablehnen, die Fremdenfeindlichkeit und Rassismus propagieren und sich dabei auch auf geschichtliche Erfahrungen berufen. Die Stadtgesellschaft ist vielfach geteilt und polarisiert. Dies kann nicht mit Zeichen überwunden werden, sondern benötigt die Begegnung, das Gespräch, die Auseinandersetzung – auch im Erinnern. Noch einmal soll Christof Ziemer zitiert werden:
Indem wir uns dieser Geschichte stellen, bekennen wir uns zur Aufgabe, eine menschliche Gesellschaft aufzubauen, in der das Kriterium für wahre Gerechtigkeit die Solidarität mit dem schwächsten Glied ist, sei es nah oder fern.‹«